Leiber | Das Geschäft mit dem „Rest“

Was für Brauereien nur ein Nebenprodukt ist, ist für die Leiber GmbH die Basis ihrer Produkte: Bierhefe. Mit der Veredelung zu Nahrungs- und Ergänzungsmitteln für Mensch und Tier hat sich das Unternehmen aus Bramsche-Engter eine Nische erschlossen. „Upcycling“ als nachhaltiges Geschäftsmodell.

Das Produktionswerk von Leiber in Engter

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Die Bierhefe, die beim Gärungsprozess während des Brauens entsteht, ist genau genommen ein eigener Mikroorganismus, der Nährstoffe verwertet und dabei einen eigenen Geschmack entwickelt. „Durch diesen Prozess vermehrt sich die Hefe während des Brauens ständig. Deshalb muss sie von Zeit zu Zeit abgeschöpft werden – und wird dann zu uns transportiert“, erklärt Dietmar Vahle, Qualitätsmanagementbeauftragter bei Leiber. So bezieht Leiber regelmäßig Bierhefe von zahlreichen Brauereien in Deutschland. 

An zwei Standorten in Bramsche veredelt Leiber die Bierhefe. „Bei der Hefe handelt es sich um ein wertvolles Nebenprodukt, das Vitamin B, Mineralstoffe und Aminosäuren enthält und wieder in den Nahrungsmittelkreislauf zurückgeführt werden kann. Auf diese Weise haben wir Nachhaltigkeit zu unserem Geschäftsmodell gemacht“, erklärt Vahle den Ansatz, den das Unternehmen seit 1954 verfolgt. Neben der Hefe hat Leiber von Anfang an auch ein weiteres Nebenprodukt der Bierherstellung in den Kreislauf zurückgeführt: den Treber, der nach der Verarbeitung des Malzes in der Brauerei anfällt. Das Problem: „Biertreber und Hefe lassen sich schlecht lagern, weil sie schnell verderben“, erklärt Vahle. Die Lösung fand Firmengründer Franz Leiber 1964 mit einem patentierten Trocknungsverfahren, das die Inhaltsstoffe schont. Damit gelang dem Unternehmen der Durchbruch. Die getrockneten „Reste“ sind länger lager- und transportfähig. Rund 25.000 Tonnen aufbereitete Bierhefe und Biertreber verlassen so jährlich das Werk in Bramsche für die Tierernährung.
Leiber veredelt damit zum Beispiel Futtermittel für Schweine, Kühe und Haustiere, aber auch für Aquakulturen wie Garnelen- oder Fischfarmen. „Gerade in Betrieben mit großen Tierbeständen kann es schnell zur Ausbreitung von Krankheiten kommen. Mit unseren Produkten können wir das Immunsystem und den Magen-Darm-Trakt der Tiere stärken und damit die Herdengesundheit verbessern“, sagt Vahle. Durch ihre geschmacksfördernde Wirkung beeinflusse Hefe zudem die Futterakzeptanz positiv. Im Lebensmittelbetrieb in Bramsche-Engter entwickelt Leiber Hefeextrakte, die als Geschmacksträger zum Beispiel in Fertiggerichten, Tütensuppen, Dressings oder veganen und vegetarischen Wurst- und Käsesorten eingesetzt werden. 

Aufklärung gefragt

90 Prozent der Produkte im Bereich Lebensmittel exportiert das von Bernd Schmidt-Ankum und Gilbert Klausmeyer in der dritten Generation geführte Unternehmen unter anderem nach Japan, Südkorea oder Indonesien. „Hefeextrakte haben in den fernöstlichen Ländern einen sehr guten Ruf. Deshalb haben wir uns dort eine entsprechende Position erarbeitet. In Deutschland ist Hefeextrakt leider sehr negativ besetzt, obwohl es sich um einen sehr natürlichen Inhaltsstoff handelt. Deshalb arbeiten wir kontinuierlich daran, über unsere Hefeextrakte aufzuklären und auf Bierhefe als gesunde Alternative zu Geschmacksverstärkern aufmerksam zu machen“, stellt der Qualitätsmanager klar.

Mit einem eigenen Forschungs- und Entwicklungslabor in Bramsche ist das Unternehmen ständig auf der Suche nach neuen innovativen Wegen, um Bierhefe und Biertreber wieder in den Nahrungsmittelkreislauf zu bringen. „Kürzlich haben wir einen Zusatz für Analogkäse auf Tiefkühlpizza entwickelt. Veganer Käse hat bisher den Ruf, wenig Eigengeschmack zu haben. Das wollen wir mit unseren geschmacksintensiven Bierhefeextrakten ändern. Insgesamt können wir so dazu beitragen, dass fleischlose Alternativen eine höhere Akzeptanz bei den Verbrauchern erreichen“, gibt Vahle einen Einblick in die Forschungsarbeit.
Ein weiteres Zukunftsfeld ist für Leiber die Biotechnologie. Bierhefeextrakte dienen als Nährstoffquelle für Mikroorganismen in sogenannten Fermentationsprozessen. Durch die Zugabe der Leiber-Hefeextrakte wachsen die Mikroorganismen schneller und „gesünder“ – dadurch sollen Bioprozesse effizient gestaltet werden. Dieses Konzept wird zum Beispiel bei der Herstellung von mikrobiellen Biopestiziden verwendet. „Durch den verminderten Ressourceneinsatz und geringere Nebenwirkungen für die Umwelt – im Vergleich zu konventionellen chemischen Pestiziden – können Umwelt und Biodiversität geschützt werden“, erklärt Vahle.

Vielfältige Maßnahmen

Für den Umweltschutz kommen die Leiber-Produkte zum Beispiel auch bei Apfelbauern zum Einsatz. Denn diese haben häufig Probleme mit Apfelschorf, der die Blätter der Apfelbäume befällt. „Über die abgefallenen Blätter gelangen die Pilzsporen wieder in den Boden und befallen die nächsten Bäume. Der Schorf ist nicht giftig, sorgt aber für fleckige Äpfel, die sich entsprechend schlechter verkaufen lassen“, beschreibt Vahle das Problem.

Leibers neueste Idee: Das befallene Laub wird mit einem Hefeextrakt besprüht. „Dadurch kommen die Regenwürmer buchstäblich auf den Geschmack und fressen das Laub samt Pilzsporen. Das reduziert den Befall erheblich und die Apfelbauern können auf giftige Pflanzenschutzmittel verzichten“, erklärt Vahle.
Auch über den eigenen CO2-Fußabdruck hat sich Leiber Gedanken gemacht. Denn: Für die Weiterverarbeitung der Bierhefe benötigt das Unternehmen viel Energie. Derzeit wird am Standort Bramsche-Engter ein Biomassekraftwerk gebaut. Es soll künftig aus unbehandeltem Altholz, das zum Beispiel von Sägewerken und Straßenmeistereien kommt, Wärme und Strom für die Eindampfung und Trocknung der Bierhefe erzeugen. Spätestens im Herbst 2024 soll das Biomassekraftwerk in Betrieb gehen. „Damit wollen wir die CO2-Emissionen unseres Standorts bis Ende 2024 um 50 bis 80 Prozent reduzieren“, kündigt Vahle an. Auf den Dächern der Produktionshalle in Engter wird zudem in Kürze eine Photovoltaikanlage installiert.

Ein weiterer Baustein im Nachhaltigkeitskonzept von Leiber sind zwei bestehende Blockheizkraftwerke am Standort Bramsche, die einen Teil der für die Futtermittelproduktion benötigten Wärme und Strom erzeugen. Am Standort Engter wiederum wird die Abwärme aus dem Produktionsprozess zur Beheizung der Verwaltung genutzt. Und der im Verarbeitungsprozess gewonnene Alkohol wird an Benzinhersteller für den Kraftstoff E10 geliefert. „Wir führen also alle Nebenprodukte des Produktionsprozesses wieder in den Kreislauf zurück“, erklärt Vahle. 

Klimaneutralität im Blick

Ab 2030 will Leiber klimaneutral produzieren. Dass das Unternehmen mit seinen 200 Mitarbeitenden bereits auf einem guten Weg dorthin ist, zeigten jüngst die Rezertifizierungen nach ISO 50001, einem Standard für Energiemanagement, sowie nach dem sogenannten ZNU-Standard „Nachhaltiges Wirtschaften“. „Wir haben ein Nachhaltigkeitsteam gegründet, das unsere Produktionsprozesse regelmäßig auf den Prüfstand stellt und schaut, was wir optimieren können. So haben wir für unseren Betrieb Verbrauchs- und Emissionsstandards festgelegt, die regelmäßig dokumentiert und von den unabhängigen Auditoren des ZNU überprüft werden. Damit begegnen wir auch dem Thema Greenwashing, das schnell wie ein Damoklesschwert über jedem Unternehmen schwebt, das sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreibt“, betont der Qualitätsmanager. Vahle sieht darin auch einen Wettbewerbsvorteil: „Viele Brauereien und Lebensmittelhersteller arbeiten ausschließlich mit zertifizierten Geschäftspartnern zusammen und machen in ihren Lieferketten keine Ausnahmen – auch nicht bei der Verwertung von Reststoffen.“ 

Anja Wittenberg

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